Bericht vom Trailrun über alle 17 x 800er

Ein Sauerland-Trail mit Augenzwinkern


17 Gipfel in anderthalb Tagen – Minimalgepäck, maximaler Spaß


Es gibt Ideen, die entstehen nicht am Schreibtisch, sondern irgendwo zwischen kalter Luft, warmen Erinnerungen und einem kleinen Kribbeln im Bauch. Meine begann im Winter beim Langlaufen auf der Hunau. Irgendwo zwischen Knirschschnee und Atemwolken dachte ich mir: Warum nicht einmal alle über 800 Meter hohen Hügel im Sauerland erlaufen – und zwar in anderthalb Tagen? Nicht zwei. Anderthalb. Der Samen dafür wurde jedoch schon früher gelegt: In Edinburgh, wo ich studiert habe, lernte ich die Faszination der Munros kennen – jene rund 282 Berge über 3.000 Fuß, die ambitionierte Bergmenschen über Jahre einsammeln. Wer sie alle erklimmt, darf sich Munroist nennen; irgendetwas um die 6.000 Leute haben das bisher geschafft. Diese Mischung aus Sammelleidenschaft und Naturlust ist mir hängen geblieben. Und dann ist da noch meine Zeit in der Schweiz, inklusive einer längst verstaubten, aber lieb gewonnenen Bergführerausbildung. Aktiv bin ich da nicht mehr, aber die Liebe zu Karten, Höhenlinien und klugen Routen ist geblieben.

Kleiner Trail im Nebelwald

Im Sommer habe ich mich dann mit Sabine vom Sauerland-Tourismus getroffen – ein freundliches, motivierendes Gespräch über Wege, Weiten und den besonderen Charme dieser Region. Der Plan stand: Anreise mit Bahn und Bus, Start irgendwo um Willingen, danach eine elegante Linie über alle 800er – laufend, leicht, mit Verstand und einer Prise Humor. ---

Prolog mit Panne (und Plan B) Samstag, 06:30 Uhr. Wecker, Kaffee, Blick in den Fahrplan – und zack: Streckensperrung. Bahn? Gestrichen. Also Plan B: Auto. Familie informiert (Gott sei Dank immer an Bord, wenn es um verrückte Ideen geht). Ich fahre vor, laufe los, und sie setzen später das Auto um. Logistik: gelöst. In Willingen finde ich einen großen Parkplatz, eigentlich nur für Tagesgäste gedacht – aber der Sauerland-Ultraläufer in mir ist optimistisch. Die Sonne tastet sich noch vorsichtig heran, Nebel hängt in den Mulden, die Luft ist frisch und riecht nach Waldboden. Der Trailrunning-Rucksack ist klein wie ein charmantes Understatement: keine Getränke drin, nur ein paar Power- und Proteinriegel. Im Sauerland, anders als in Alpen, Highlands oder Rockies, kann man unterwegs problemlos auffüllen. Das ist Luxus in minimalistischem Gewand.


Tag 1 – Nebel, Rotwild und der leise Anfang Ich starte Richtung erster 800er. Nebelwände, ein zarter Sonnenstreifen, und da – Rotwild im Dunst. Kein Mensch, keine Radler, nur ein stiller Aussichtspunkt am Kamm. Es ist einer dieser Momente, die man nicht fotografiert, weil sie ohne Ton und Kälte im Bild nicht funktionieren. Also speichere ich ihn auf die große Festplatte „Kopf“. Runter geht’s Richtung Willingen, knapp über 500 Höhenmeter, und wieder hoch. Jetzt quer durchs Gras: Hier gibt es keinen richtigen Weg, nur alte Spuren und urige Grenzsteine – tatsächlich Marken von 1760, zwischen Waldeck und Nordrhein-Westfalen. Ich mag solche Zeitzeichen. Während moderne Navigation piept, stehen die Steine da und sagen: Wir waren schon hier, als dein GPS noch auf einer Sternschnuppe lag. Der Tag wechselt in den „Lauf-und-Lächeln-Modus“: Atem, Tritt, Blick. Die Stille ist großartig – sie heißt nicht „Nichts“, sondern „Alles ohne Lärm“. ---

Tag 1 – Langenberg, Rothaarsteig und der Kulturschock Langenberg, 843 m, höchster in NRW. Gipfelkreuz gibt’s, Wanderer auch. Ein paar Tschechinnen staunen freundlich über meine Laufklamotten und schießen ein Gipfelfoto. Dann hinein in eine Collage aus Untergründen: Rothaarsteig, Wiesenpfade, kleine Bäche, moosige Böschungen, wurzlige Tritte. Der Trail ist ein Buffet – ich nehme von allem etwas. Und dann: Ettelsberg. Kontrastprogramm. Wo eben noch Rotwild, Nebel und Grenzsteine waren, ist jetzt Siggis Hütte – frühmittags schon so belebt, als wäre Oktoberfest im Juli. 300 Menschen, Gesang, frohe Stimmen, Bierkrüge, Mountainbikes, Sessellifte. Ich grinse. Das Sauerland kann beides: Meditation im Moor – und Malle mit Höhenmetern. ---

Hundegrab auf der Hunau

Tag 1 – Mühlenkopf, Hegekopf und die Kunst des Unspektakulären Hinter dem Trubel wird es wieder still. Mühlenkopf, Hegekopf – hier ist nicht jeder „Gipfel“ ein Fotomotiv. Manchmal ist die höchste Erhebung schlicht ein Hochsitz. Als Jäger muss ich lachen: Wer braucht ein Gipfelkreuz, wenn man einen Hochsitz hat? Ich latsche durch Wiesen, nehme unauffällige Kuppen mit, folge Kanten und Kämmen. Dann kommt einer meiner Lieblinge: der Clemensberg bei Neuer Hagen. Hochheide, lichtes Gelände, Mystik in der Luft. Hier erzählen Eltern ihren Kindern Geschichten von Dolinen – Löcher im Karst, in denen das Wasser verschwindet. Ich gönne mir eine kleine Pause. Später in Winterberg gibt es Nachschub an Wasser. Die Menschen werden weniger, die Wege schmaler, die Stille dichter. Ich trabe an Molchtümpeln, einem kleinen See, frisch aufgeforsteten Zäunen vorbei – eine dieser Kuppen verlangt sogar einen kleinen Kletterakt über den Zaun. Ich notiere mir: „Sauerland-Gipfel, Kategorie Tarnkappe“. 47 Kilometer später rolle ich auf Züschen zu. Familie wartet. Hund wedelt, Auto wird umgesetzt. Wir fahren nach Willingen, K1 an der Seilbahnstation. Essen, Lachen – und als Dessert: Kaiserschmarrn aufs Haus.

 Die Nacht – Diagnose „Laufschuh“ Wir haben ein Familienzimmer. Ich bin Tierarzt – und hatte unseren Hund selbst operiert: ein gutartiger Tumor, alles gut verheilt. In der Nacht wache ich auf. „Was riecht denn hier…? Entzündung? Eiter?“ Der Puls klettert, der Kopf funktioniert, ich taste – und entdecke die Ursache: Meine Laufschuhe. Sie standen zum Trocknen im Zimmer. Fazit: Alles gut mit dem Hund – nur der Schuh braucht eine Waschmaschine. ---

Tag 2 – Nebel, Spinnennetze und ein Turm, der lächelt Frühstück. Familie schnürt die Wanderschuhe, ich bekomme einen Startkuss und laufe los. Weniger Gipfel heute, dafür noch einmal viel Landschaft fürs Herz. Der Morgen ist neblig, die Spinnennetze hängen wie glitzernde Hängematten zwischen Gräsern und Zweigen. Nach 8 bis 10 Kilometern erreiche ich die Ziegenhelle. Geheimtipp! Ein Aussichtsturm mit Perspektive, lichte Wälder, Heideflächen, Zeichen von Wildschweinen. Eine freundliche Bühne mit viel Platz für Gedanken. Weiter zur Wallershöhe. Ich finde den höchsten Punkt nur, weil ein Schild dort steht. Ob es exakt hier ist? Wer weiß. In einem Land voller DIN-Normen sind Höhenangaben manchmal erstaunlich großzügig.

Weg im nebeligen Wald

Kahler Asten – und die Sache mit den E-Bikes Der Weg zieht an, ich treffe auf eine Gruppe E-Mountainbiker. Ein bisschen nervig, ein bisschen amüsant – schließlich trägt jeder seine Bergfreude auf seine Weise. Bald darauf stehe ich auf dem Kahlen Asten, dem Zentrumsberg des Sauerlandes. Hier steht eine der ältesten Wetterstationen Deutschlands. Heide, Schafe, Weite – und das Wissen, dass hier Schnee eine Tradition hat. Ich gönne mir einen Moment, atme tief, dann ein Abstecher ins Winterberger Skiliftkarussell. Im Sommer ist es nicht romantisch, aber für die Liste zählt: Einer der Skiberge ist ein echter 800er.

 Das Finale – Hund, Grab und Hunau Über Altastenberg wird es ruhiger, die Wege duften nach Fichtenharz und Erde. Am Wegesrand entdecke ich ein Hundegrab – ein stiller Ort, der mich als Tierarzt berührt. Zum Schluss stehe ich auf der Hunau – unprätentiös, waldig, still. Kein Spektakel. Nur das Gefühl, dass ein Kreis sich schließt.

83 Kilometer, rund 2.200 Höhenmeter, 17 Gipfel. Anderthalb Tage. Eine runde Sache.

Ausrüstung? Leicht! Versorgung? Einfach! Laune? Großartig Man braucht im Sauerland nicht viel Gepäck. Ich war mit einem kleinen Trailrunning-Rucksack unterwegs, ohne Getränke an Bord – nur ein paar Riegel. Getränke gab es in Winterberg. Infrastruktur und Herzlichkeit machen das leicht. Gleichzeitig findet man stille Passagen, in denen man nur seine Schritte hört. Diese Kombination ist selten und goldwert. 

Fazit – Sauerland als Trail-Spielplatz Wer Trailrunning liebt, braucht nicht immer die Alpen. Das Sauerland bietet Höhenmeter, Heide, Hochwald, weite Kämme und eine Versorgung, die Minimalgepäck ermöglicht. Für Training ist es ideal: lange kontinuierliche Anstiege, weiche wie technische Passagen, ein Rothaarsteig, und eine Gastfreundschaft, die jede Erschöpfung in Zufriedenheit verwandelt. Dieser Ultratrail ist nahbar. Man kann ihn planen, anpassen, variieren – ganz ohne Alpin-Drama. Wer will, macht ihn in Etappen, wer kann, nimmt ihn in anderthalb Tagen. Danach schmecken Kaiserschmarrn und Kaffee noch einmal besser. Und die Laufschuhe? Die dürfen anschließend in die Waschmaschine.
 

Praktische Randnotizen

 

  • Strecke: ca. 83 km, ~2.200 HM
  • Zeit: 1,5 Tage
  • Ausrüstung: kleiner Trail-Rucksack, Riegel, keine Getränke (unterwegs nachfassen) 
  • Highlights: Langenberg (843 m), Clemensberg/Hochheide, Ziegenhelle (Turm), Kahler Asten
  • Kurioses: Grenzsteine von 1760, Hochsitz-„Gipfel“, Dolinen-Sagen, Hundegrab
  • Kontrastprogramm: Siggis Hütte (Ettelsberg) & Sommer-Skikarussell vs. stille Wälder 
  • Bestes Lernziel: Man braucht nicht viel – nur Lust, Leichtigkeit und ein Auge für das Schöne

 

 

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